Hi zusammen,

ich habe gestern eine nette Parabel gehört ...

Was steckt hinter "Dingen, die man schon immer so macht"?

Ein Tempel. Abend. Die Schüler sind im Innenhof um den Meister versammelt, tief in Meditation versunken. Diese Stunde ist heilig. Andächtiger Ernst umweht die Gruppe. Da - die Tempelkatze kommt herein, streicht um die Knie eines Schülers und miaut. Sie ist hungrig! Dahin ist es mit der Ernsthaftigkeit, die Schüler schauen zu dem Tierchen, sie sind abgelenkt. Der Meister weist sie zurecht. Am nächsten Tag - dasselbe Spiel. Die Katze lenkt wieder alle Aufmerksamkeit auf sich. Am dritten Tag - wieder. Dem Meister wird das zu dumm, er legt der Katze eine Leine um den Hals und er bindet sie an einer Säule der Treppe vor der Tempeltür fest. "Nun kann sie euch nicht mehr ablenken ...". Von da an wurde die Katze jedes Mal angebunden, wenn es Zeit zur Meditation war, damit die Konzentration der Schüler nicht gestört würde.
Ein halbes Jahr danach verstarb der Meister, aber die Katze wurde dennoch in seinem heiligen Angedenken Abend für Abend an der Säule angebunden. Das Halsband war in der Zwischenzeit durch ein prächtiger geschmücktes ersetzt worden, der vormals so einfache Strick durch ein seidenes Band. Irgendwann starb dann auch die Katze - und was geschah? Der Tempel besorgte eine neue Katze, damit während der Meditationszeit eine Katze auf der Treppe an der Säule säße.
Und auch jetzt noch, viele Jahrzehnte später, sitzt Abend für Abend eine angebundene Katze auf den Tempeltreppen, obgleich die Zahl der Meditierenden schon lange gegen Null schwindet ... fragt man nach dem Grund, entgegnet der Fremdenführer mit strafendem Blick: "Das ist ein heiliger Brauch, das haben wir schon immer so gemacht!"

Also - lasst uns selber denken :).

Cheers
Ulli